Englische Originalversion erschienen im Toronto Star

Die zunehmende Bedrohung für die Sicherheit von Journalisten und Journalistinnen

11. Januar 2021

Beitrag von Catherine Tait, Vorsitzende Global Task Force for public media

In den vergangenen Jahren haben die Bedrohungen und Einschüchterungen von Journalistinnen und Journalisten an Ausmaß und Intensität zugenommen. Besonders für Journalistinnen wächst der Grad dieser Bedrohungen und es zeigt sich ein Muster, das Kampagnen von Online-Gewalt mit realen Übergriffen und Attacken verbindet.

Es ist kein Zufall, dass mit der starken Zunahme von Desinformationen im Netz auch die Angriffe auf diejenigen zugenommen haben deren Job es ist, das zu recherchieren und aufzudecken. Dieses Problem ist besonders gravierend für Journalistinnen und Journalisten, die für öffentlich-rechtliche Medien arbeiten.

Öffentlich-rechtliche Medien stehen dafür, Nachrichten und Informationen zu liefern, die korrekt, objektiv und frei von kommerzieller und politischer Beeinflussung sind. Es ist unsere Aufgabe, unvoreingenommen zu berichten, ohne Ansehen der Person oder Sache, und unserem Publikum Nachrichten und Informationen zu vermitteln, auf die sie sich verlassen können. Gegen die wachsende Ausbreitung von Desinformationen haben viele von uns engagierte Teams gebildet, um die Echtheit von Online-Inhalten zu prüfen und Fake News offenzulegen.

Darum auch zählen Zuschauerinnen und Zuschauer die öffentlich-rechtlichen Medien zu den Nachrichten-Anbietern, denen sie am meisten vertrauen. Darum aber auch werden unsere Journalistinnen und Journalisten so oft von denjenigen ins Visier genommen, die Desinformationen bewusst einsetzen, sei es zu ihrem politischen oder kommerziellen Vorteil, um die Gesellschaft zu spalten und zu polarisieren, oder um Wahlen zu beeinflussen und die Demokratie zu unterminieren.

Das jüngste Chaos und die Gewalt in Washington waren begleitet von Bedrohungen vieler Journalisten und Journalistinnen, darunter auch unsere CBC-Korrespondentin Katie Nicholson und Kameramann Jason Lowther, die von wütenden Trump-Unterstützern bedrängt wurden.

Auch in Kanada blieben Reporterinnen und Reporter nicht unbehelligt: in Vancouver wurde CBC-Fotograf Ben Nelms von einem Demonstranten angegriffen, eine grundlose Attacke die von‚ News Photographers Association of Canada‘ verurteilt wurde. Das sind nur die jüngsten Vorfälle, in denen Nachrichten-Teams drangsaliert wurden, während sie einfach ihren Job machten. Das passiert in Kanada und es passiert weltweit.

Journalistinnen und Journalisten werden auch im Netz zum Angriffsziel, besonders in den Sozialen Medien. Zur Verteidigung der Online-Übergriffe berufen sich einige dabei auf das Recht der freien Meinungsäußerung. Tatsächlich jedoch unterdrücken sie selbst die Meinungsfreiheit und untergraben die Demokratie, wenn sie Journalistinnen und Journalisten einschüchtern und bei ihrer Arbeit behindern.

Für Journalisten und Journalistinnen gibt es nichts Wichtigeres als arbeiten zu können ohne Repressalien fürchten zu müssen. Das gilt gleichermaßen für die Redakteure und Redakteurinnen in den Nachrichtenredaktionen genauso wie für diejenigen, die in Krisengebieten, anderen feindlichen Umgebungen oder unter repressiven Regimes arbeiten.

Aus einem Bericht der UNESCO aus dem Jahr 2020 geht hervor, dass die Zahl der Berichterstatter und Berichterstatterinnen als Opfer in Gebieten bewaffneter Konflikte 2019 zurückging, tödliche Angriffe auf Journalisten und Journalistinnen in anderen Gegenden jedoch zugenommen haben. Der Anteil der Journalisten und Journalistinnen, die in Ländern ohne bewaffnete Konflikte getötet wurden, sprang von 50% aller im Jahr 2016 umgekommenen Berichterstatterinnen und Berichterstatter auf 61% im Jahr 2019, ein Hinweis  auf eine „wachsende Intoleranz gegenüber journalistischer Berichterstattung, befördert durch ein Klima weitverbreiteter Anti-Presse-Rhetorik, auch von politischen Entscheidungsträgern und Entscheidungsträgerinnen.“

Viele Ereignisse in 2020 haben die negativen Folgen von Desinformationen wiederholt und nachdrücklich erwiesen, von Falschinformationen zu COVID-19, über Impf-Verschwörungstheorien, bis zu den unbegründeten Behauptungen über die U.S.-Wahlen.

Regierungen und Plattformbetreiber wollen stärker gegen Lügen und Falschinformationen im Netz vorgehen, und in den letzten Monaten gab es erhebliche Anstrengungen, irreführende Posts zu markieren oder zu entfernen.

Doch es muss mehr getan werden, um die Übergriffe im Netz ernster zu nehmen und Journalistinnen und Journalisten vor Angriffen zu schützen, die so oft ihre Bemühungen begleiten, ‚Fake News‘ zu entlarven und Verschwörungstheorien anzugehen. Und es muss mehr getan werden, um die als vertrauenswürdig und unabhängig geltenden Informationsquellen im Netz zu kennzeichnen und zu fördern – nicht zuletzt die der öffentlich-rechtlichen Medien.

Wenn wir auf das Jahr 2021 blicken und auf die Herausforderungen für Alle, sich vom Schock für die Gesundheit, die Wirtschaft, und die Gesellschaft durch COVID-19 zu erholen, haben wir eine grundlegende Wahl. Es ist die Wahl zwischen einer öffentlichen Debatte, die entweder von Desinformationen dominiert wird oder von den Werten des traditionellen Journalismus.

Für die Integrität in der Nachrichtenberichterstattung einzutreten bedeutet, jetzt zu handeln, um Journalistinnen und Journalisten zu schützen, die an der Desinformationsfront arbeiten. Wie erfolgreich wir dabei sein werden wird mitentscheidend dafür sein, welche der konkurrierenden Vorstellungen zur Zukunft der Berichterstattung siegen wird: die gefälschte, oder die faire und freie.


Mehr dazu

Die ,Global Task Force for Public Media‘ ist ein weltweites Netzwerk öffentlich-rechtlicher Medien.

Ihre Mitglieder repräsentieren öffentlich-rechtliche Medien aus verschiedenen Kontinenten mit unterschiedlichen Sprachen und Kulturen. Sie eint das Ziel, sich gemeinsam für die Werte und Interessen öffentlich-rechtlicher Medien einzusetzen und gemeinsam Position zu beziehen, wenn es um Themen und Herausforderungen für öffentlich-rechtliche Medien geht.

Die Global Task Force ist eine Gruppe von acht Intendantinnen und Intendanten öffentlich-rechtlicher Medien:

  • David Anderson, Managing Director, ABC (Australia)
  • Thomas Bellut, Director General, ZDF (Germany)
  • Tim Davie, Director General, BBC (United Kingdom)
  • Delphine Ernotte Cunci, President & CEO, France Télévisions (France)
  • Jim Mather, Chair of the Board, RNZ (New Zealand)
  • Hanna Stjärne, Director General, SVT (Sweden)
  • Catherine Tait, President & CEO, CBC/Radio-Canada, GTF Chair (Canada)
  • Yang Sung-dong, President & CEO, KBS (South Korea)
Le Groupe de travail mondial